Besondere Weihnacht
Am zweiten Weihnachtsfeiertag erlebte der Spiegelsaal des Neuen Schlosses ein Weihnachtsereignis der besonderen Art
MERSEBURG – Nichts gegen die deutsche Weihnacht, andächtig, feierlich und innig, sie wird bei vielen Konzerten, in Kirchen und Sälen vorgetragen. Aber dass die Weihnachtszeit auch eine andere Seite, eine ironische, heitere, vergnügliche und satirische in Wort und Musik hat, bewies das Corda Trio aus Oldenburg mit Rezitator und Schauspieler Jürgen Lorenzen. Sie öffneten literarische und musikalische Adventstüren in rasanter Folge unter dem Motto „Wenn Weihnachtsbäume Walzer tanzen“. Über allem stand Jean-Paul Sartre: „Weihnachten ist ein Fest der Freude, leider wird dabei zu wenig gelacht.“
Jürgen Lorenzen ist in der Region bekannt als Regisseur und Schauspieler der im Jahr 2007 gegründeten Schaubühne Meersburg, die jedoch aus finanziellen Gründen am Ende des Jahres wieder schließen musste. Jetzt kehrte Lorenzen, der in Zukunft vermehrt in Weimar, Hof und Bayreuth auftritt, zurück und brillierte mit Prosa und Lyrik aus verschiedenen Jahrhunderten. Ob besinnliche Worte von Theodor Storm über die Weihnacht oder die komischen Betrachtungen eines zehnjährigen Bub im schönsten Dialekt „Advent im Bayrischen Wald“, die heitere Geschichte von der Weihnachtsgans Agathe oder das Lukas-Evangelium aus der Sicht eines Berliners: es ist erstaunlich, wie jeder seine eigene Sicht von der Weihnachtszeit hat. Heinrich Böll „Monolog eines Kellners“ wird zitiert, aber auch der unvergessene Heinz Erhardt oder Erich Kästner, Lorenzen hat eine unvergleichliche Sammlung zusammengestellt.
Aber das Ganze wäre nicht halb so schön, wenn nicht das brillante Corda Trio dazu ein musikalisches Feuerwerk abschießen würde. Jan Rynkiewicz (Violine), Vladimir Knaus (Cello) und Wlodzimierz Jasionowski (Klavier) spielen in dieser Besetzung als klassische Wiener Kaffeehausmusiker, sind aber weit mehr. Es sind Virtuosen und Künstler in Vollendung. Klassische Kompositionen von Robert Schumann, Antonio Vivaldi und Claude Debussy wechseln ab mit einem tschechischen Weihnachtslied oder einer russischen Volksweise. Alle drei Musiker stammen aus Polen oder Weißrussland und verbinden höchste Musikalität mit der Liebe zu ihrem Instrument.
Sie brillieren mit der Nussknacker-Suite von Peter Tschaikowsky oder erzeugen Gänsehautfeeling mit dem atemberaubenden rasanten „Feuertanz“ von Manuel de Falla. Jürgen Lorenzen karikiert das Denglisch und singt zum Abschied unnachahmlich kitschig „I am dreaming of a white Christmas“. Zweieinhalb Stunden Vergnügen, nachdenkliche Momente und Ohrenschmaus. (mü) |